DIE IDEE HINTER MEINEM MUSEUMS-BLOG
Seit ich denken kann, verliebe ich mich in Gegenstände . Vor allem in Museen und Sammlungen entdecke ich oft Ausstellungsstücke, die mich faszinieren. Ich dokumentiere sie fotografisch und verwende dafür neben meiner Handykamera eine analoge Olympus OM-2.
Auf meinem Blog lasse ich euch an meinen neuesten Entdeckungen teil haben - und versuche zu ergründen, warum sie so eine große Faszination auf mich ausüben.


Diese Muschel hat es, obwohl sie schon zerbrochen ist, in meine Sammlung geschafft.
Doch was bedeutet Sammeln und Ausstellen eigentlich?
Ein Ding gilt dann als außergewöhnlich und sammelnswert, wenn es begrenzt vorhanden ist und die persönliche Vorstellung von Schönheit trifft. Es handelt sich um Gegenstände, den man nicht wirklich braucht und die auch keinen finanziellen Nutzen bringen. Denn die Aura des Gegenstands macht den individuellen Wert aus.
Ein Beispiel: Ich sammle im Urlaub Muscheln am Strand. Am wertvollsten sind für mich diejenigen, die nicht massenweise im Sand liegen und möglichst schön schillern, tolle Farben oder Formen haben. Zurück Zuhause erinnern die Muscheln mich an die Zeit im Urlaub und machen mich glücklich.
In der vormodernen Zeit (also vor 1800) war das Sammeln ein Privileg der Reichen und Mächtigen -- ein kostspieliges Instrument zu Darstellung und Erhalt der eigenen Position. So finden sich hier schon einige interessante Vorläufer unserer heutigen Museen:
In der griechischen Antike (1600 v. Chr. bis 27 v. Chr.) diente das Schatzhaus (thesauros) als Aufbewahrungsort für Statuen und Figuren, die von den Stadtstaaten gestiftet wurden. Sie waren einer bestimmten Gottheit gewidmet, um sich deren Schutz sicher zu sein. Beispiele: das Heiligtum des Apollon in Delphi oder die Schatzhäuser von Olympia. Hier kannst du dir eine rekonstruierte Zeichnung eines reichlich gefüllten Schatzhauses ansehen.

Aus: Oehler, Raimund. Klassisches Bilderbuch. Leipzig , 1892. - Scan 102. Abgerufen über https://arachne.uni-koeln.de/ Die Abbildung unterliegt der Creative Commons Lizenz. https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/

Sikyon war ein Stadtstaat auf der nördlichen Peloponnes. Aus: Winter, Franz. Kunstgeschichte in Bildern. Das Altertum / 1. Leipzig/Berlin, 1900. - Scan 38. Abgerufen über https://arachne.uni-koeln.de/ Die Abbildung unterliegt der Creative Commons Lizenz. https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/

Abgerufen über https://arachne.uni-koeln.de/ Die Abbildung unterliegt der Creative Commons Lizenz. https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/
Der antike Namensgeber unserer Museen, der Tempel der Musen (museion), diente als Ausstellungsfläche für geraubte Objekte und Treffpunkt der Gelehrten. Ein berühmtes Beispiel: das Museion in der Bibliothek von Alexandria. Leider gibt es keine Abbildungen der Bibliothek - aber hier kannst du in einem Video durch eine Rekonstruktion spazieren.

Im antiken Griechenland wurden neun Göttinnen der Künste verehrt: die Musen. Sie gaben den Treffpunkten der Gelehrten ihren Namen. In dieser Abbildung siehst du die griechische Darstellung einer Muse. Interessant daran ist, dass auf dieser Skulptur die ursprüngliche Bemalung wiederhergestellt wurde. Denn antike Marmor-Skulpturen waren nicht weiß. Das Original der Skulptur stammt wahrscheinlich aus Delos, 2. Jahrhundert v. Chr. Foto-Credit: Liebieghaus Skulpturensammlung – Norbert Miguletz
Der Ursprung von privaten Sammlungen liegt in den Schatzkammern der römischen Herrscher (8. Jh. v. Chr. bis 9. Jh. n. Chr.). Sie bewahrten hier im Privaten wertvolle Geschenke von Gesandten, Kriegsbeute und Tributzahlungen auf. Dieser Prunk wurde zu bestimmten Anlässen wie Festlichkeiten und Zeremonien der Öffentlichkeit vorgeführt.
Für eine ganz besondere Ausprägung der Sammeltätigkeit sorgte der Reliquienkult in den christlichen Kirchenschätzen . Kostbare Reliquienbehälter beinhalten alle erdenkliche Körperteile Heiliger oder Gegenstände, die diese berührt bzw. besessen haben sollen. Eine Reliquie zu haben oder nicht zu haben, entschied über die Legitimität der lokalen kirchlichen Machthaber und Pilgerströme spülten immer willkommenes Geld in die Kassen.

Das Reliquiar stammt aus Memmingen (1607). Leider sind mir keine weiteren Details bekannt. Die Reliquie befindet sich im unteren Teil, hinter dem Fenster.

Glasbecher aus dem Domschatz Quendlinburg. Gelangte vermutlich im 13. Jh über die Kreuzfahrer aus Syrien nach Mitteleuropa. Die Silberfassung wurde nachträglich hinzugefügt. Im 18. Jh entstand die Vorstellung, dass der Becher einst Martin Luther gehört hat.

Der Kirchenschatz von St. Markus beherbergt unter anderem wertvolle Reliquienbehälter aus Bergkristall, die aus der Plünderung der fatimidischen Schatzkammern (Ägypten, 1171) stammen
In der Renaissance (15. und 16. Jh) waren die Kunst- und Wunderkammern der europäischen Fürstenhäuser nur für Privilegierte zugänglich. Dort wurden allerlei Kuriositäten wie Hörner von Einhörnern (die in Wirklichkeit meist Narwal-Stoßzähne waren) und wertvolles Kunsthandwerk aufbewahrt. Erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts öffneten sich diese Sammlungen einem breiten Publikum.

Die früheste Abbildung eines Naturalienkabinetts. Frontispiz zu: Imperato, Ferrante: Historia Naturale, Neapel 1599 (hier als Titelkupfer zur 2. Auflage, Venedig 1672) Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg abgerufen über: http://www.ausgepackt.uni-erlangen.de/presse/download/index.shtml

Die Ausstellung der Kunst- und Wunderkammer von Christoph Weickmann (1617-1681). Weickmann war ein wohlhabender Ulmer Kaufmann.

Dieser Stoßzahn stammt aus der über 1.000-teiligen Sammlung Weickmanns. Bis in das beginnende 17. Jahrhundert hinein glaubte man, dass es sich um das Horn eines Einhorns handle. Die Stoßzähne waren sehr selten und unfassbar teuer. In pulverisierter Form wurde es als Heilmittel zehn mal so teuer als Gold verkauft.

Mschatta liegt nahe der jordanischen Hauptstadt Amman und ist eine umayyadische Palastanlage, die im 8. Jh erbaut wurde. Ich finde, die Geschichte der Fassade ist ein interessantes Beispiel für das Selbstverständnis der europäischen Archäologie (und ihrer Selbstdarstellung im 19. und 20. Jh). Credit der Aufnahme: Brooklyn Museum. Urheber: William Henry Goodyear.

Kaiser Wilhelm II. erhielt die Fassade 1902/1903 vom osmanischen Sultan Abdülhamid II. als Geschenk. Sie wurde abgetragen und in den Berliner Museen wieder aufgebaut. Einerseits wurde die Fassade dadurch vor Zerfall und Zerstörung geschützt. Ist es aber andererseits vertretbar, jordanische Kulturschätze bis heute in einem deutschen Museum auszustellen - weil Machthaber sich vor einhundert Jahren gegenseitig Gefallen getan haben? Foto-Credit: Balou46 via https://commons.wikimedia.org/

Aufgenommen bei meinem Besuch im März 2010. Foto-Credit: Patricia Breu / Der Blog der Dinge
Die öffentlichen Ausstellungen von Museen in der Moderne waren und sind nicht selten Propagandamittel der Mächtigen. Man denke nur an den Wettlauf um die bestgefüllten Depots im 19. Jahrhundert (in dieser Zeit wanderten viele Kulturschätze aus dem Nahen Orient auch in deutsche Museen), die Zurschaustellung "exotischer Völker" auf den Weltausstellungen (die in krassem Kontrast zu den Ausstellungen moderner technischer Errungenschaften aus dem Westen standen), oder an die Ausstellung von "Entarteter Kunst" durch die Nationalsozialisten.

Die Ausstellung fand 1896 im Rahmen einer Gewerbe-Ausstellung in Alt-Treptow statt. Menschen wurden aus den deutschen Kolonien entführt und wie Zootiere zur Schau gestellt. Quelle: Deutschland und seine Kolonien im Jahre 1896 : amtlicher Bericht über die Erste Deutsche Kolonial-Ausstellung / hrsg. von dem Arbeitsausschuss der Deutschen Kolonial-Ausstellung, Red.: Gustav Meinecke, Zeichn.: Rudolf Hellgrewe. Berlin : Reimer, 1897. Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, 2"@Sa 5923/4. S. 36.

Die Ausstellung diente zur Belustigung der Besucher*innen, zur Legitimierung von "wissenschaftlichen" Forschungen, zur Erniedrigung von "exotischen" Völkern und zur Darstellung der europäischen Überlegenheit. Quelle: Ebd., S. 55.
Heute sind Museen das erfolgreichste Massenmedium. Museen stiften
Identität und beeinflussen die Politik. Und jenseits der öffentlichen
Ausstellungen existieren im Privaten viele kleine Sammlungen von
persönlichen Schätzen.

Ein Beispiel aus der Geschichte des Museumskonzepts. Unter dieser Glasglocke wurde um 1920 das Fragment eines frühmittelalterlichen Gefäßes ausgestellt.

Lenbachhaus. Architekt: Foster + Partners. Ein Beispiel, wie Museen die Identität einer Stadt formen, bewahren und ausstellen.

Museo de al Memoria de Andalucía, Architekt: Alberto Campo Baeza.

Eine moderne Kunst- und Wunderkammer
Textquellen / Literaturempfehlungen zum Thema Geschichte des Museums:
Philipp Blom: "Sammelwunder, Sammelwahn. Szenen aus der Geschichte einer Leidenschaft", dtv 2014
Krzysztof Pomian: "Der Ursprung des Museums: vom Sammeln", Verlag Klaus Wagenbach 2001